Die Goldenen Zwanziger: Das goldene Jahrzehnt im vergangenen Jahrhundert

Die Welt betritt erneut die Zwanziger. Doch was ein Jahrhundert zuvor zur goldenen Ära wurde, hätte zum Jahreswechsel 1919 auf 1920 sicher niemand geahnt. Heute sprechen wir von den Goldenen Zwanzigern, die nach Krieg, Hyperinflation, Hunger und Arbeitslosigkeit ein wenig Hoffnung und Leben zurückbrachten. Aber haben Sie es gewusst? Die Goldenen Zwanziger füllen längst nicht alle Jahre des Jahrzehnts aus und waren keineswegs überall zu finden.

Krisenjahre nach dem Ersten Weltkrieg: Hintergrund & Vorgeschichte

Vor den Goldenen Zwanziger war das Leben der Deutschen in der Weimarer Republik besonders hart: Der Vertrag von Versailles sorgte nach dem Ersten Weltkrieg für harte Reparationen und Gebietsverluste, es herrschte Hungersnot, Armut, Elend und Arbeitslosigkeit. Kriegsheimkehrer ohne die heutige medizinische Versorgung gingen oft betteln, um überhaupt ihre Existenz sichern zu können. Die Säuglingssterberate lag mit 14 Prozent besonders hoch in Europa. Das Leben war kein „Zuckerschlecken“.

Auch politisch war das Klima aufgeheizt. Hassreden und Attentate auf Politiker wie Matthias Erzberger und Walther Rathenau waren an der Tagesordnung. In den Jahren vor den Goldenen Zwanzigern gab es mehrere Putschversuche, wie beispielsweise der Kapp-Putsch 1920, der Hitler-Ludendorff-Putsch 1923. Massenstreiks wurden von den Freikorps niedergeschlagen, wie beim Ruhraufstand 1920 oder bei den Märzkämpfen in Mitteldeutschland 1921.

100 Billionen Mark-Geldschein
100 Billionen Mark-Geldschein

Die Krise spitze sich 1923 zu. Französische und belgische Truppen besetzten das Ruhrgebiet, weil Deutschland mit den Reparationszahlungen im Rückstand war. Der Verfall der Währung schritt unaufhaltsam voran, das Geld kam direkt aus der Notpresse. Doch mit der Rentenmark kommt die Wende. Im Jahr 1923 unterschrieben Reichskanzler Gustav Stresemann und Ernährungsminister Hans Luther eine Verordnung über die Einrichtung der Deutschen Rentenbank, die als Übergangslösung die Rentenmark ausgab: Eine Rentenmark war eine Billion Mark wert.

Die Goldenen Zwanziger: Wirtschaftsaufschwung und Blütezeit

Die Goldenen Zwanziger
Die Goldenen Zwanziger (Bundesarchiv / CC-BY-SA 3.0)

Mit der zweiten Hälfte kam der wirtschaftliche Aufschwung, eine stabile politische Lage in der neuen Demokratie der Weimarer Republik und eine Blütezeit von Kunst und Kultur. Das brachte den Jahren 1924 bis 1928 später den Namen „die Goldenen Zwanziger“ ein – nach dem Schreckensjahr 1923 und vor der Weltwirtschaftskrise 1929.

Weltweit ging es mit der Konjunktur aufwärts. Die Währungsreform brachte neue Stabilität: Mit der eingeführten Rentenmark war das Geld wieder etwas wert. Nicht nur der kleine Mann konnte wieder einkaufen, Waren wurde nun erneut angeboten, der Handel florierte. Deutschland wurde auch wieder kreditwürdig.

Hohe Kredite aus dem Ausland ermöglichten den Aufschwung. Amerikanische Banken liehen deutschen Banken Geld, die dieses wiederum an deutsche Unternehmen weitergaben. Die folgenden Investitionen ließ die Industrieproduktion ansteigen, Arbeitsplätze entstanden, die Schicht der Angestellten bildete sich heraus.

Es folgten Jahre mit hohen Steuereinnahmen und einem ausgeglichenen Staatshaushalt – nach dem harten Leben zuvor ein Segen für viele Menschen. Innenpolitisch war die Politik ein Machtkampf, Koalitionen brachen auseinander, so mancher Reichskanzler war nur wenige Monate im Amt. Allein zwischen 1923 und 1930 gab es sieben demokratische Wahlen eines neuen Reichstags und zehn Regierungen. Paul von Hindenburg wurde 1925 zum Reichspräsidenten gewählt – ein erklärter Feind der Demokratie.

In der Außenpolitik verbesserte sich die Lage für Deutschland jedoch deutlich. Großes Ziel des Außenministers war es, den Vertrag von Versailles durch andere mit besseren Konditionen zu ersetzen. Dies gelang nach und nach. Mit dem Vertrag von Rapallo zwischen der entstehenden Sowjetunion und dem Deutschen Reich begann die Aufhebung der internationalen Isolierung, 1925 sicherte die Konferenz von Locarno die Westgrenzen.

1926 erkannte die Regierung die Abtrennung von Elsass-Lothringen an, Wirtschaftsverträge mit Ungarn, Bulgarien und Rumänen verbesserten das Ansehen der Weimarer Republik ebenso. Im gleichen Jahr wurde die Weimarer Republik in den Völkerbund aufgenommen. Zahlreiche wirtschaftliche Reformen brachten bis 1928 Löhne und Produktion wieder auf das Vorkriegsniveau.

In den Städten pulsiert durch die neu gewonnene Lebensqualität das Leben. Neue Medien kamen auf, die Menschen besuchen Kinos und Konzerthäuser, die Kunst und Kultur florierte. Niemand wollte mehr eine Auseinandersetzung mit Elend, Krieg und Armut, die Menschen suchten die schönen Seiten des Lebens:

353 Millionen Kinobesucher wurden gezählt, so viele wie noch nie zuvor. Die Deutschen reisten wieder gern: 9,1 Millionen Gästeanmeldungen wurden 1928 gezählt, zwei Milliarden Personen hat die Reichsbahn in diesem Jahr transportiert – so viele wie heutzutage im Jahr 2017. Gegen Ende der 20er glänzte die Dekade wirklich golden.

Der Begriff der „Goldenen Zwanziger“ beschreibt demnach Stabilisierung, wirtschaftlichen Aufschwung, kulturelle Neuerungen, Veränderung in Arbeits- und Alltagsleben, Innovationen in Kunst, Musik und Literatur sowie den Vergnügungsrausch und ein prunkvolles Leben in den Großstädten. Mit ihm sind Begriffe wie “Kultur der Großstadt“, „Angestelltenkultur“, „Girl-Kultur“ und der „American Way of Life“ eng verbunden, denn das Leben änderte sich auf allen Ebenen.

Dennoch haben die Goldenen Zwanziger auch Schattenseiten gehabt. Die Landwirtschaft konnte vom Wirtschaftsaufschwung nicht wirklich profitieren – die Menschen zogen vom Land in die Stadt. Großkonzerne brauchten durch effiziente Technik weniger Arbeitskräfte: Zum ersten Mal gab es sogar Dauerarbeitslose. Die geburtenstarken Jahrgänge kämpften hart auf dem Arbeitsmarkt. Schon hier fanden die nationalsozialistischen Gedanken ihren Nährboden, der nach den Goldenen Zwanziger weiter wuchs.

Folgen: Jähes Ende durch die Weltwirtschaftskrise

Bettelnder Kriegsinvalide in Berlin 1923
Bettelnder Kriegsinvalide in Berlin 1923 (Bundesarchiv / CC-BY-SA 3.0)

Vier Jahre lang ging es den Deutschen vor allem in den Großstädten gut. Doch die „Goldenen Zwanziger“ fanden im Jahr 1929 durch die Weltwirtschaftskrise ihr Ende. Auslöser war der Zusammenbruch der New Yorker Börse. Die hohen Kredite aus Amerika wurden abgezogen, Massenarbeitslosigkeit war in der Weimarer Republik die Folge. Die deutsche Wirtschaft lag erneut am Boden, eine innenpolitische Stabilität schien wieder in weite Ferne gerückt: Es kam zur politischen Radikalisierung. Misstrauen und Befürchtungen waren erneut weit verbreitet in der Bevölkerung.

Diese Krisenjahre waren der perfekte Nährboden für die Wahl von Rechtsextremisten wie die NSDAP, die mit Hitlers Ernennung zum nationalsozialistischen Reichskanzler 1933 das freizügige Leben der Goldenen Zwanziger endgültig in die Geschichte verbannte.

Berlin: Zentrum der Goldenen Zwanziger

Vor allem Berlin war Dreh- und Angelpunkt der Goldenen Zwanziger. Hier leben die Jungen, die Lebenshungrigen, die sich amüsieren wollten: Ein Drittel der Bevölkerung war unter 18 Jahre alt. Sie wollten tanzen und das Leben nun endlich ohne Einschränkungen genießen. Überholte Moralvorstellungen aus der Kaiserzeit wurden über Bord geworfen, man rauchte Kette, zog von einer Kneipe zur anderen und Sex erlangte eine neue Freiheit. Berlin wurde zum Unterhaltungszentrum für ganz Europa.

Bars und Kneipen, Theater und Varietés, Cafés und Restaurants lockten die Bewohner zum Amüsieren. An der Gedächtniskirche und dem Kurfürstendamm im Westen der Stadt manifestierte sich das neue Leben durch die neuen Großstadtkinos Marmorhaus, Capitol und Ufa-Palast. So manches Lokal bot Liebeslauben für Paare in den hinteren Bereichen – das kostete zwei Mark extra. Im glamourösen „Himmel und Hölle“ verkehrte die Elite der Stadt: Reiche Erben, Politiker und Playboys genossen regelmäßig das Kabarett um Mitternacht mit bis zu 50 Schönheiten auf der Bühne.

Auf der Promenade „Unter den Linden“ wurden Klappstühle für fünf Pfennig angeboten, der Straßenzug zwischen Nollendorfplatz und Olivaer Platz entwickelte sich zum Berliner Laufsteg. Der Alexanderplatz und der Potsdamer Platz wurden zum Ausdruck der pulsierenden Weltstadt: Überall machten Leuchtreklametafel die Nacht zum Tag. Das „Haus Vaterland“ beherrschte am Potsdamer Platz die Szenerie. Die mehrstöckige Fassade des Amüsiertempels erstrahlte im Lichterglanz und konnte 6000 Gäste gleichzeitig in verschiedenen Themenrestaurants bewirten – zwölf Kapellen und zahlreiche Tänzerinnen inklusive.

Selbst die Ärmeren in der Bevölkerung konnten sich im Berlin der Goldenen Zwanziger amüsieren: Sie fanden in Hinterzimmern leicht eine Möglichkeit, sich zu verkaufen. Offiziere außer Dienst wirkten immer noch sehr anziehend auf die Damenwelt und führten diese galant gegen einen Obolus über die Tanzflächen der Stadt. Selbst im feinen „Hotel Adlon“ waren die sogenannten „Eintänzer“ Teil der Gesellschaft.

Die Berliner Unterwelt amüsierte sich ebenso. In der Kneipe „Zum Hundejustav“ im Berliner Norden trafen sich Gangsterbosse, Taschendiebe, Zuhälter, Prostituierte und sogar Obdachlose und füllten den Klub vor allem ab drei Uhr morgens.

Gesellschaftliche Umwälzungen der Goldenen Zwanziger

Aber auch in anderen Bereichen zeigten sich Veränderungen im alltäglichen Leben. Der Ausbau des Versicherungswesens hatte eine bessere Sozialversicherung zur Folge. 1927 wurde das „Gesetz über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung“ eingeführt und die Reichsanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung gegründet. Neben Großbritannien war Deutschland damit der einzige Staat, der nach dem Ersten Weltkrieg eine Arbeitslosenversicherung einführte.

Medien verfestigten sich immer mehr als Meinungsmacher, Künstler waren frei von Zensur. 1926 wurde der § 218 StGB geändert: Haftstrafen für einen Schwangerschaftsabbruch wurden verkürzt. Die Frauen erlangten eine völlig neue Rolle in der Gesellschaft und die Grenzen zwischen arm und reich verschwammen: Man amüsierte sich im gleichen Lokal und ging in die gleichen Kinos.

Kunst & Alltagskultur erfuhren eine neue Freiheit

In der Kunst der Goldenen Zwanziger entstand die Neue Sachlichkeit, die sich auf den Erfahrungen des Ersten Weltkrieges und des anschließenden gesellschaftlichen Wandels begründete. Vor allem in der Architektur und im Design war die Neue Sachlichkeit vorherrschend. Stilprägend war die in Weimar von Walter Gropius gegründete Hochschule für Gestaltung, das sogenannte „Bauhaus“, die in den Goldenen Zwanzigern nach Dessau wechselte. Aber auch im Theater zog der neusachliche Stil ein – wie am Beispiel der Tragikomödie „Der Hauptmann von Köpenick“ zu sehen ist.

Das „Denkmal der Märzgefallenen“ (Weimar 1922)
Das „Denkmal der Märzgefallenen“ (Weimar 1922)

Aber auch avantgardistische Kunstrichtungen des Expressionismus, Surrealismus und Dadaismus prägten diese Jahre. Die Kunstszene befreite sich weiter von akademischen Zwängen, Scham war auf dem Rückzug. Neue Themen wie das Leben in der Großstadt oder das neue Frauenbild gelangten in den Mittelpunkt. Das Porträt wurde zum wichtigsten Genre – freizügige Posen waren zu Zeiten des Kaiserreichs noch undenkbar. Berühmte Künstler der Zeit waren beispielsweise Max Beckmann, Otto Dix, Paul Klee, Max Klinger und Christian Schad.

In den späteren Jahren der Republik wurde die Kunst zudem immer politischer. Der Kampf der politischen Lager wurde auch auf diesem Gebiet ausgetragen. Theaterschaffende, Intendanten und Regisseure stellten ihre Werke in den Dienst der Politik, war die Zensur mit dem Kaiserreich untergegangen.

Das neue Frauen-Bild der Goldenen Zwanziger

Die Goldenen Zwanziger waren zudem wegweisend für die Emanzipation der Frauen. Während und nach dem Krieg erkämpften sie sich ihren Platz in der Arbeitswelt. Es fehlte an männlichen Arbeitskräften. Gleichzeitig waren viele Frauen auf sich allein gestellt und mussten ihren Lebensunterhalt selbst verdienen. Schon während des Ersten Weltkrieges stieg der Anteil der erwerbstätigen Frauen. Neue Berufszweige entstanden, wie das der Stenotypistinnen oder der Büroangestellten. Die Post und Telefonvermittlung war ebenso in Frauenhand.

Aber auch in Frauenbewegungen war der Wandel zu finden und bereits 1919 wurde das aktive und passive Frauenwahlrecht erkämpft. In den Goldenen Zwanzigern fanden die Damen ein neues Selbstvertrauen, dass sich sowohl in der Mode als auch im öffentlichen Leben ausdrückte. In den Goldenen Zwanzigern zeigte vor allem die freizügige Abendgarderobe auch den neuen Umgang mit der eigenen Sexualität. Die Frau der Moderne ging allein aus, rauchte erstmals in der Öffentlichkeit, trieb Sport und fuhr Auto. Sie zwar unabhängig und dynamisch.

Das Schlagwort „Die neue Frau“ erlangte bei den Konservativen schnell den Status eines Schimpfwortes. Die Geburtsrate sank, die Haare wurden kurz zum Bubikopf geschnitten, Partys nur für Frauen veranstaltet. Diejenigen, die es sich leisten konnten, lebten schnell und intensiv. Das neue Leben endet jedoch ebenso mit der Weltwirtschaftskrise. Frauen wurden anschließend wieder aus dem Arbeitsmarkt gedrängt und die Nationalsozialisten beenden die Freiheit der Frauen.

Die Mode der Goldenen Zwanziger.

Paillettenkleid, Glockenhut, Federboa und Perlenkette – das sind die modischen Klischees, die die Goldenen Zwanziger beschreiben. In dieser Epoche galt es, sich auch im Kleidungsstil von Zwängen zu befreien. Das Korsett wurde eingestaubt, Damen trugen kürzere Röcke oder sogar erstmals Hosen. Die Mode wurde freizügiger und ein Teil der sozialen Revolution. Vor allem in der Damenmode war die neuen Mode Ausdruck der voranschreitenden Emanzipation.

Die Damenmode

Typisch für die Damenmode der Goldenen Zwanziger waren locker fallende Kleiderschnitte, die kein Korsett mehr benötigten. Eine Betonung der Taille verschwand immer mehr oder saß meist nur noch sehr tief. Hemdchenkleider kamen in Mode. Die Weiblichkeit zeigten die Damen mit röhrenförmigen Kleidern, die viel Rücken frei ließen, Schultern wurden sichtbar und die Röcke reichten maximal noch bis zu den Knien – um besser Charleston oder Tango tanzen zu können. Spagetti-Träger waren fast ein Muss ebenso wie ein tiefer Ausschnitt.

Bei den Accessoires war nicht der Wert wichtig, sondern deren auffallende Wirkung. Die Zigarettenspitze wurde zum Must-have der „neuen Frau“, dazu trug sie Perlenketten, Boas, Stirnbänder und Handtaschen. Die Haarlänge schrumpfte: Statt der gewohnten langen Haarfrisuren war der Bubikopf der letzte Schrei und löste Haarnadeln und Co ab.

Aber auch die Männerkleidung zog in die Damenmode ein. Die Frauen der Goldenen Zwanziger trugen erstmals Hosen, zudem auch Krawatten und Hemden. Sogar Sakkos bedeckten ihre Schultern. Der androgyne Trend wurde zum Leitbild und Ausdruck der neuen Aufmüpfigkeit der damaligen Frauen – und bekam den Namen „Carçonne-“Stil.

Der Sport zog zudem in das Alltagsleben der Damen ein – und damit kam die Sportmode auf. In großen Kaufhäusern entstanden erstmals Sportabteilungen, Frauen bekamen Hosen zum Skifahren und Reiten. Im Alltag überwogen lässige und saloppe Outfits: Strickpullover in Überlänge waren damals ebenso hip. Der Badeanzug aus Wolle ermöglichte zum ersten Mal das Schwimmen für Frauen ohne volle Montur. Auch der Pyjama kam in den Zwanzigerjahren auf und edle Modelle aus Satin und Seide wurde gern auch beim Dinner unter Freunden zuhause getragen.

Die Herrenmode

Vor den Goldenen Zwanzigern beherrschen Gehrock und Zylinder das öffentliche Auftreten der Männer. Doch die Mode in der 1920er wurde klassischer, dunkler und korrekter: Das Sakko bekam gepolsterte Schultern, die Brust war verstärkt. Alles zielte darauf hinein, dem Mann eine muskulöse Silhouette zu verleihen.

Der Name des angesagten Tagesanzugs geht auf den Reichskanzler Gustav Stresemann zurück – der Stresemann-Anzug. Dieses Ensemble besteht aus schwarzer Jacke, dunkler Weste und gestreifter Hose. Sakko und Hose mit Bügelfalte dominierten das Alltagsleben, Frack und Smoking blieben weiter Teil der Festtagskleidung. Auch sportliche Stile kamen auf: Kurze Knickerbocker und Trenchcoat waren ebenso Teil der Mode der Goldenen Zwanziger.

Die Frisur der Herren war streng nach hinten gekämmt. Häufig trugen sie einen Seitenscheitel – bedeckt vom steifen Homberg-Hut oder einer sportlichen Schirmmütze. Die Stiefel des Weltkrieges wurden eingemottet, die Schuhe leichter. Hosenträger ersetzen Gürtel und die Armbanduhr löste die Taschenuhr ab.

Weitere Strömungen: Monokel, Make-up und Perlen-Wimpern

Die neue Mode hatte weitere Auswirkungen. Friseure hatten erstmals sonntags offen, neu erfundene Stoffe hielten Einzug. So ließen synthetische Fasern Seidenstrümpfe geschmeidiger und weicher werden. Im Zuge des „Carçonne“-Stils, dem männlichen, androgynen Look, traute sich so manche besonders selbstbewusste Frau sogar das Tragen eines Monokels – ein Accessoire, das eigentlichen unter homosexuellen Männern verbreitet war.

Die Demokratisierung der Mode trat ein. Gesellschaftliche Schichten konnten nicht mehr anhand des Kleidungsstils eindeutig beziffert werden. In der Mode waren alle gleich. Lediglich in der Qualität der Stoffe und deren Verarbeitung konnten Unterschiede ausgemacht werden.

Durch archäologische Funde wurden auch Einflüsse aus dem Orient und Ägypten in die Mode gebracht. Turbane waren angesagt. Starkes Make-up gehörte ebenfalls zum Schick: Rouge, helles Puder und dunkel geschminkte Lippen, Kajal um die Augen und dünne Augenbrauen waren Teil des verruchten Make-up der Zwanziger. „Perlen-Wimpern“ waren vor allem bei Tänzerinnen und Schauspielerinnen beliebt.

Sport: Das neue Vergnügen der Massen

Im Zuge des Vergnügungshungers wurde auch der Sport salonfähig in den Goldenen Zwanzigern. Mit der Einführung der Acht-Stunden-Schicht hatten die Menschen mehr Freizeit dafür zur Verfügung. Autosport, Ruderregatten, Flugtage, Sechstagerennen und Co gehörten zum Alltag. Die Massen zogen in ihrer Freizeit von einer Großveranstaltung zur anderen.

Auch das Boxen wurde eine populäre Sportart, der Radsport war beliebt und der olympische Gedanke wurde durch die Erfindung des Rhönrades beflügelt. Turnvereine bekamen immer mehr Zulauf, Arbeiter und deren Kinder wurden von Arbeitersportvereinen magisch angezogen. Sportler entwickelten sich zu Vorbildern und wurden neue Prominente – wie beispielsweise der berühmte Boxer Max Schmeling.

Zwar war der Fußball schon seit den 1890er Jahren bekannt, doch gerade in den Goldenen Zwanzigern griff die Begeisterung dafür um sich. Hunderttausende strömten wöchentlich in die Stadien. Der 1. FC Nürnberg wird zur Fußballhauptstadt, holte der Fußballklub in den Jahren 1920, 1921, 1924, 1925 und 1927 insgesamt fünf Mal die deutsche Meisterschaft.

Neue Medien: Radio und Film auf dem Vormarsch

Die Entdeckung und Verbreitung neuer Medien passte in den Goldenen Zwanzigern ebenso zum Lifestyle, wie diese auch für so manche Entwicklung überhaupt erst verantwortlich war. Max Schmelings Boxkämpfe verfolgten Millionen Zuhörer an den Radiogeräten, die ab 1923 kaum noch aus der Gesellschaft wegzudenken waren. Das Kino war eine weitere mediale Errungenschaft, die das Leben in den Zwanzigern prägte – und das Überleben der Theater allmählich schwer machte.

Film & Kino

Schon vor dem Ersten Weltkrieg wurden in Lichtspielhäusern in Deutschland Stummfilme gezeigt, doch erst in den Zwanzigern konnte sich der Film als Massenmedium etablieren. Der Film wurde ein anerkanntes Unterhaltungsangebot.

Kinos erhielten einen enormen Auftrieb und Deutschland entwickelte sich zum europäischen Staat mit den meisten Kinos: Die Zahl hatte im Jahr 1930 5.000 Kinos erreicht. Rund zwei Millionen Menschen gingen täglich ins Kino. Neben dem Hauptfilm gab es meist mehrere Vorfilme und auch die Wochenschau.

In Deutschland entstanden auch mehr Filme als in allen anderen europäischen Ländern zusammen. Die Filmindustrie wuchs unaufhaltsam und brachte zahlreiche Größen des Regiefachs hervor. Die Babelsberger UFA-Filmstudios glänzten mit einer Jahresproduktion von 200 bis 300 Filme und war ein Zeit lang die wichtigste Filmproduktionsstätte der Welt.

Doch als Fritz Langs „Metropolis“ 1927 als Millionen teure Produktion an den Kassen zum Misserfolg wurde, hatte dies eins zu bedeuten: Der Stummfilm wurde 1928 vom Tonfilm abgelöst (maßgeblich durch Erfindungen des Mikrofons und des Lichttonverfahrens beeinflusst). Wo früher noch Klaviermusik als Begleitung und Übertünchen des Projektorgeräusches erklang, waren nun die Stimmen zu hören. Und: Hollywood hatte Deutschland erreicht und setzte neue Maßstäbe.

Musik

Die Zwanzigerjahre waren zudem eine sehr musikalische Dekade. Aus den USA brachte die berühmte Tänzerin Josephine Baker die Charleston-Welle in die Weimarer Republik. Jazz und Swing revolutionierten die Musikwelt und die Tanzwelle schwappte ebenso über das Meer. Walzer und Foxtrott waren ebenso beliebt, wie der Tango.

Die amerikanischen Trend-Tänze Charleston, Shimmy und Lindy Hop empörten Kirche und Konservative gleichermaßen. Der Charleston wurde nach einer Hafenstadt in South Carolina in Amerika benannt. Die von James P. Johnson komponierte Melodie „The Charleston“ wurde im Musical „Running Wild“ am New Yorker Broadway 1923 uraufgeführt und weltweit bekannt, Josephine Baker tanzte zum ersten Mal auf europäischem Boden 1925 in Paris.

Aber auch deutsche Musiker stiegen zu neuen Größen auf – allen voran die „Comedian Harmonists“. Das Sextett war auch international mit Songs wie „Ein Freund, ein guter Freund“ oder „Veronika, der Lenz ist da“ erfolgreich.

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Der Schlager der Goldenen Zwanziger wandelte sich durch den Einfluss des Dadaismus. Immer mehr Nonsens-Texte wurde gedichtet, die verrückte Liedzeilen wie „Du bist als Kind zu heiß gebadet worden“ oder „Wer hat bloß den Käse zum Bahnhof gerollt“ hervorbrachten. Die Frivolität der Zeit machte vor der Musik ebenso nicht halt: „Fräulein, woll’n Sie nicht ein Kind von mir“ oder „Wenn ich Liebe brauche, dann gehe ich zur Pauline“ sind Songtitel, der damaligen freizügigeren Moral.

Rundfunk

Mit dem Jahr 1923 trat der Rundfunk seinen Siegeszug an: Sendelizenzen wurden vergeben und Sendeeinrichtungen unter Kontrolle des Reichspostministeriums in Betrieb genommen. Die ersten Worte, die am 23. Oktober gesendet wurden, lauteten:

„Achtung! Hier Sendestelle Berlin Voxhaus, Welle 400. Wir bringen die kurze Mitteilung, dass die Berliner Sendestelle Voxhaus mit dem Unterhaltungsrundfunk beginnt.“

Einzeln vorgestellte Musiker spielten anschließend zwölf Musikstücke, wovon als Erstes das Violincello-Solo mit Klavierbegleitung „Adantino“ von Georg Kreisler erklang. Am Ende wünschten die Macher „eine gute Nacht. Vergessen Sie bitte nicht, die Antenne zu erden.“

Rundfunk & Radio ab 1923
Rundfunk & Radio ab 1923

Doch zunächst beherrschten Musik und Unterhaltungsprogramme das Angebot des Rundfunks, politische Sendungen waren weiterhin tabu. Hörspiele, Klassik, aber auch zeitgenössische Musik wie der Charleston und satirische Chansons wie beispielsweise von Otto Reutter erklangen aus den Geräten.

Innerhalb von wenigen Jahren erhöhte sich die Anzahl der angemeldeten Rundfunkgeräte von knapp 10.000 auf über 3,7 Millionen im Jahr 1929. Der Rundfunk blieb unter staatlicher Kontrolle: Das Radio zu Hause musste bei der Post mit einer Urkunde genehmigt werden.

Nicht alle konnten sich ein Gerät leisten. Zahlreiche Familien bauten sich die damals sogenannten Detektoren selbst zusammen. Restaurants stellten Radios auf, um Kunden anzulocken. Der Rundfunk wurde zum Massenmedium und stellte eine Konkurrenz für die Zeitung dar.

Zeitalter der Erfindungen: Autos, Zeppelin und Schallplattenspieler

Auch zahlreiche Erfindungen haben in den Goldenen Zwanzigern ihren Ursprung – Technik und Wissenschaft machten in diesem Zeitraum ebenfalls einen enormen Sprung. Zwischen 1925 und 1929 gingen sechs Nobelpreise nach Deutschland, darunter an Albert Einstein und Thomas Mann.

Gewaltige Fabriken produzierten inzwischen zahlreiche Automobile, die immer mehr auf den Straßen zu sehen waren. Der elektrische Anlasser machte das Auto bequem – der Rennsport wurde möglich. Tankstellen waren ebenso eine Erfindung der Goldenen Zwanziger. Gab es vorher Benzin in der Apotheke, leitete die Eröffnung der ersten Tankstelle der Firma OLEX in Hannover eine neue Ära ein. 1921 entstand die erste Autobahn.

Zeppelin „LZ 2“-Flug im Jahr 1905
Zeppelin „LZ 2“-Flug

Eine weitere Erfindung war die von Graf von Zeppelin entwickelte Maschine, die Menschen durch die Luft transportieren konnte – der Zeppelin. 1928 wurde das Lichttonverfahren entwickelt, das Schneiden und Nachbearbeiten von Tonaufnahmen ermöglichte. Das Mikrofon war eine weitere bahnbrechende Erfindung, die den Rundfunk ermöglichte. Auch kam der erste elektrische Plattenspieler auf den Markt – Musik konnte nun mühelos auf Schallplatten abgespielt werden. Der sogenannte „Fliegende Hamburger“ war der erste Hochgeschwindigkeitszug: Mit 160 km/h ermöglichte er die Reise von Berlin nach Hamburg in nur noch 142 Minuten.

Auch der Wohnsektor veränderte sich in den Goldenen Zwanzigern: Bausparkassen boomten und die ersten Hochhäuser entstanden in Deutschland. 1924 wurde das Schwarz-Weiß-Fernsehen erfunden, 1928 folgte das Farbfernsehen. 1921 kam Insulin erstmals beim Menschen zum Einsatz, der Schotte Alexander Flemming entwickelte 1928 die ersten Antibiotika (Penicillin), in England wurde das Düsentriebwerk erfunden. Die erste Flüssigkeitsrakete stammt aus dem Jahr 1926 von Robert Hutchins Goddard (Amerika) und Wernher von Braun (Deutschland).

Weitere Informationen: Filme über die Zwanziger

Es gibt zahlreiche Filme, die die Golden Zwanziger dokumentieren. Einige davon sind:

  • „Die wilden Zwanziger“ 2015, ein Dokumentarfilm von Stefanie Apple (Arte)
  • Babylon Berlin“ 2017, eine deutsche Kriminal-Fernsehserie von Volker Kutscher
  • „Weltbühne Berlin – Die Zwanziger Jahre“, Lehrfilm, Chronos Media

Weitere Informationen: Literatur über die Zwanziger

Auch literarisch lässt sich über die Goldenen Zwanziger nachlesen:

  • „Berlin – Die Zwanzigerjahre – Kunst und Kultur 1918–1933“ dtv, München 2006, ISBN 978-3-423-34407-4.
  • „Die Zwanziger Jahre in Berlin. Ein Wegweiser durch die Stadt“, Berlin-Story-Verlag, Berlin 2005, ISBN 3-929829-28-2.
  • „Bürgerkrieg und Goldene Zwanziger. Erfurt in der Weimarer Republik. Sutton Verlag, Erfurt 2008, ISBN 978-3-86680-338-1.
  • „Die Weimarer Republik“, 2012, Oldenbourg, ISBN 978-3-486-71267-4.

FAQ: Die wichtigsten Fragen

Wo waren die Goldenen Zwanziger?

Die Goldenen Zwanziger ist ein etwa vierjähriger Zeitraum, der in Deutschland zwischen den beiden Weltkrieg stattfand. Vor allem Berlin war Ausdruck des neuen Lebens, das von guter wirtschaftlicher Lage, einem neuen Frauenbild und Vergnügungshunger geprägt war. Ein Pendant ist in Amerika zu finden, hier wurde die Zeit „Roaring Twenties“ genannt.

Warum endeten die Goldenen Zwanziger?

Grund war die Weltwirtschaftskrise im Jahr 1929. Aufgrund dessen wurden Kredite aus Deutschland wieder abgezogen, die Wirtschaft in eine erneute Krise gestürzt. Arbeitslosigkeit und Instabilität waren die Folge. Neue Armut und Elend bot dem Nationalsozialismus den perfekten Nährboden.

Warum heißt es die Goldenen Zwanziger?

Nach Weltkrieg, Hyperinflation und Reparationszahlungen war der Zeitraum der erste, der eine wirtschaftlich gute Zeit darstellte. Dies führte ebenso zum Namen wie neu gebaute, schicke Häuser, Leuchtreklamen, der Prunk in der Mode und der Rausch an Prunksucht, Ausgehen und ausschweifendem Nachtleben der Zeit.

Wann waren die Goldenen Zwanziger?

Der Zeitraum wird auf die vier Jahre zwischen 1924 und 1928 beziffert – also die zweite Hälfte der Zwanziger des vergangenen Jahrhunderts. Sie beginnen nach den Krisenjahren bis 1923 und enden mit der Weltwirtschaftskrise 1929.

Was macht die Goldenen Zwanziger aus?

Geprägt war die Zeit durch eine stabile wirtschaftliche Lage, einem neuen, selbstbewussten Frauenbild, freier Kunst, neuer Mode und vor allem der Lust am Vergnügen. Kinos entstanden, neue Medien brachten neue Möglichkeiten, der Sport zog ins Alltagsleben und das Nachtleben von Berlin wurde legendär.

Was wurde in den Goldenen Zwanziger erfunden?

Es gab zahlreiche Erfindungen in den diesen Jahren. Besonders bekannt und einflussreich waren vor allem der Rundfunk und das Kino. Aber auch im Bereich Transport machte die Technik große Sprünge.

Was war vor den Goldenen Zwanziger?

Harte Reparationszahlungen, Hyperinflation und eine instabile Lage machten die Jahre nach dem Ersten Weltkrieg und vor den Goldenen Zwanzigern hart. Erst mit der Währungsreform gelang der wirtschaftliche Aufschwung.

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